Text gehört zu den Medien, die sich in den letzten Jahrhunderten wenig gewandelt haben. Oder? Für mehr Fokus beim Lesen im Internet gibt es eine neue Unterstützung in Textform: Bionic Reading.
Mit dem Aufleben digitaler Medien und der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Informationen sind Texte immer kürzer geworden. Das Internet ist schnelllebig und voller Ablenkung. Einen längeren digitalen Text zu lesen kann herausfordernder sein als das Lesen in einem Buch. Grund dafür sind Designs, die auf schnellen und einfachen Informationskonsum ausgelegt sind, denn Aufmerksamkeit ist die wichtigste Währung im Internet.
Bionic Reading, eine Art der Textdarstellung, soll Abhilfe schaffen. Um viel Ablenkung und kurzen Aufmerksamkeitsspannen entgegenzuwirken, kann ein Text ‘bionisch’ gestaltet werden, d. h. es werden künstliche Marker gesetzt, die die Aufmerksamkeit auf ausschlaggebend Silben oder Wortbestandteile setzen.
Was heißt ‘bionisch’?
Der Begriff ‘Bionik’ setzt sich aus ‘Biologie’ und ‘Technik’ zusammen und beschreibt das Übertragen natürlicher Phänomene auf Technik. Ein Beispiel dafür sind Tragfläche von Flugzeugen, die der Form von Vogelflügeln nachempfunden sind.
Bionisches Lesen, das als Life Hack viral gegangen ist, geht auf den Schweizer Typograph Renato Casutt zurück, der das Textbild so verändert, dass Wörter potenziell schneller erkannt werden können. Dadurch wird das Lesen einfacher und schneller – so die Idee.
Grundlage für Bionic Reading ist die Annahme, dass das Gehirn schneller lesen kann als die Augen. Wie ein sehr großer Wortschatz im Kopf, der durch den Blick auf einen Text aktiviert wird. Das Gehirn braucht meistens aber nur einen Anreiz, kein ganz ausgeschriebenes Wort, um eine Bedeutung zu erkennen. Ein Beispiel für dieses Phänomen sind Worte, bei denen zwar alle Buchstaben vorhanden sind, aber die Reihenfolge bis auf den ersten und letzten Buchstaben beliebig ist.
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Wie hilft Bionic Reading beim Lesen?
Laut der Website von Bionic Reading vervollständigt unser Gehirn die Worte durch die künstlich gesetzten Marker (Hervorhebungen), was ein schnelleres Lesen ermöglichen kann. Ob das allerdings funktioniert und wie gut, liegt letztlich sehr im individuellen Empfinden der Leserinnen und Leser.
Bionic Reading und sein Effekt sind daher auch umstritten, was (nicht immer sachliche) Diskussionen von Twitter-Usern (externer Link nur auf Englisch verfügbar) illustrieren.
Einige Leserinnen und Leser bestätigen aber den Eindruck, dass es den Leseprozess beschleunigen kann, wenn man unter Aufmerksamkeitsdefiziten leidet: www.theguardian.com/commentisfree/2022/may/27/bionic-reading-adhd-speed-reader
Wer neugierig ist und selbst einen Text in Bionic Reading lesen möchte, kann das Tool selbst ausprobieren und das direkt online machen:
https://app.bionic-reading.com