Eine kleine Geschichte des Phänomens Open Source – Der Computer erobert die Arbeitswelt
Berlin 2021: Der Bund veröffentlicht Zahlen dazu, wie viel Geld die Bundesbehörden jährlich für Microsoft-Produkte ausgeben. Allein im Haushaltsjahr 2020 rund 178,5 Millionen Euro für Softwarelizenzen, Cloud- und Serverdienste, wobei ursprünglich nur 57,2 Millionen veranschlagt waren. 2015 hatte der Bund noch 43,5 Millionen Euro an Microsoft überwiesen. Seitdem haben sich die Kosten also fast vervierfacht. Die Abhängigkeit von Microsoft wird seit Jahren kritisiert und als Gefahr für die digitale Souveränität und die nationale Sicherheit angeprangert. Doch die fällige Hinwendung zu Open Source Technologie findet nicht statt. Im Gegenteil: erst kürzlich wurde bekannt, dass die Bundesministerien einen Mega-Millionen-Deal mit Microsoft Cloud-Service Azure abschließen wollen. Der würde bestehende Abhängigkeiten eher noch verfestigen.
Doch wie kam es überhaupt dazu, dass der Computer und die dazugehörigen Geschäftsmodelle ihren Siegeszugbereich vor allem auch im Bereich der Wirtschaft und der Arbeitswelt antreten konnten? Schließlich hatten frühen Silicon Valley Pioniere und Bill Gates sich Mitte der 70er Jahre vor allem darum gestritten, wie der Computer als Hobby-Instrument und Heim-PC funktionieren könnte. Und erst kurz davor hatte ein paar Idealisten und Hippies die Technologie der Sphäre der Forschung und des Militärs entrissen.
Die entscheidende Rolle hierbei fällt zwei heute fast unbekannten US-amerikanischen Erfindern zu: Dan Bricklin und Bob Frankston. Ihre Tabellenkalkulation „VisiCalc“ sorgte 1979 für die Revolution der Buchhaltung, indem es das, was ein normaler Mitarbeiter in einer Woche leistete, in 15 Minuten erledigen konnte. VisiCalc verbreitete sich explosionsartig in der Bankenindustrie und an den Börsen und schuf damit die Voraussetzungen für die Art von Hochrisiko-Finanzkapitalismus, der die Globalisierung bis heute prägt. Dass Banken heute ihre Standorte in die Nähe von Datenkabelverbindungen verlegen, nur um ihrer Konkurrenz eine Nanosekunde voraus zu sein, nahm damit ihren Anfang.
Der Erfolg von VisiCalc war so groß, dass die US-Behörden eineinhalb Jahre nach Veröffentlichung das Patent-Prinzip auf die Computer-Branche übertrugen. Damit konnte erstmals Software rechtlich geschützt werden. Der bis dahin geltende Grundsatz des offenen Codes, der auch schon Bill Gates gestört hatte, veränderte sich radikal.
Der zweite entscheidende Akteur, der dem Computer zum Durchbruch in der Wirtschafts- und Arbeitswelt verhalf war Apple. Denn nur dadurch, dass VisiCalc auf dem Apple2 Rechner lief, konnten konnte man das Programm in Büros überhaupt benutzen. Denn der Apple2 war der erste Computer, der nicht nur für Nerds und Bastler entworfen war, sondern als Gerät für alle.
Nicht der Silicon Valley Idealismus und Potential der freien Kommunikation für alle verhalfen also letztlich dem Computer zu seinem eigentlichen Durchbruch, sondern die Kombination aus einer Soft- und einer Hardware, die man zum Geldverdienen nutzen konnte.