„Der künstlerische Ausdruck ist meine Berufung“ – Soester Gesichter
Erstellt am: 30.06.2022
Digitalisierung hat viele Gesichter – Soest auch. In unserer Reihe „Soester Gesichter“ sprechen wir mit Personen, die in Soest leben oder arbeiten und erfahren, was aktuelle Themen und der digitale Wandel mit ihrem (Berufs-)Leben machen. Wir haben mit Markus Frede aus Soest über Kunst, Kreativprozesse und Digitalisierung gesprochen.
Hallo Markus! Danke, dass du dir Zeit nimmst. Uns würde zum Einstieg interessieren, was du beruflich machst und wie dein Job zu deiner Kunst steht.
Meine berufliche Tätigkeit übe ich im Finanzamt aus, aber der künstlerische Ausdruck ist meine Berufung.
Gibt es für dich eine Verbindung zwischen dem Handwerk Malen und den digitalen Medien?
Ursprünglich war es erst das Zeichnen, dann die Malerei, worüber ich die Muster meiner Seele ausdrücke. Mir geht es dabei weniger um das Handwerk und mehr um das intuitive Machen – auch wenn natürlich immer mehr Materialwissen dazukam. Das visuelle Arbeiten am Computer nutze ich bereits, seitdem ich die Möglichkeit dazu habe. Da war ich anfangs wahrscheinlich auch etwas ungeschickt, bin aber immer intuitiv zu einem entsprechenden Ergebnis gekommen. Mein Logo zum Beispiel ist aus einer Zeichnung und einem digitalen Foto entstanden.
Für mich ist das Malen einfach ein Entstehen aus dem Jetzt – mit allem, was mich gedanklich berührt oder irgendwie in meinem Bewusstsein existiert. Das versuche ich einfach für den Moment oder für den Zeitraum, in dem ich an einem Bild tätig bin, auszudrücken.
Digitalität und vor allem soziale Medien haben mir einen Aufschwung gegeben, sodass sich weitere Möglichkeiten wie Ausstellungen ergeben haben. Ursprünglich habe ich hier in Soest mit einem Kollegen im doppelten Sinn mal ausgestellt, hab mir eine eigene Homepage gebastelt und dann kam irgendwann … hieß es MySpace? (lacht) Darüber kamen dann tatsächlich Anfragen und Einladungen.
Seit einigen Jahren lasse ich meine Website extern betreuen, weil sie schon zweimal gehackt wurde. Inhalte stelle ich selbst ein, aber gerade Cybersicherheit ist ein immer wichtiger werdendes Thema.
Stehen für dich das Malen und das digitale Arbeiten in einem Spannungsverhältnis?
Nein, mein künstlerischer Prozess ist kein Statement oder Gegensatz zum Digitalen. Ich arbeite unter anderem auch als Visual Jockey (deutsch: Videokünstler). Das meiste, was in den letzten fünf Jahren entstanden ist, sind digitale Arbeiten in Form von Grafiken.
Wir haben auch mal versucht, Gemälde zu reproduzieren. Aber selbst mit großen Datenmengen aufwändig digitalisierte Werke lassen sich nicht naturgetreu nachbilden. Beim Drucken müsste man mit gleichen Pigmenten arbeiten und die entsprechende Oberflächenbeschaffenheit nachahmen, um bei verschiedenen Lichteinflüssen – von Morgenröte bis Abenddämmerung – den Effekt eines gemalten Werkes wirklich zu reproduzieren. Das ist bisher so nicht einfach möglich, man hat beim Druck dann irgendwie ein Standbild; das ist statisch, tot. Die gemalten Bilder haben einfach mehr Leben.
Als Visual Jockey mache ich auch grafische und visuelle Begleitung zur Musik, die ich z. B. bei Live-Konzerten als Bühnenbild miteinfließen lasse. Früher wurden Ölfarben zwischen zwei Platten gequetscht und auf einen Projektor gelegt. Sowas mache ich heute digital mit diversen Effekten. Ich nutze Fotos meiner Gemälde, diverse Filter und Videoeffekte und eine Live-Übertragung von der Bühne, um „Muster meiner Seele“ zur Musik entstehen zu lassen. Das ist wie eine weiße Leinwand; von bis ist alles möglich und da mache ich irgendwas ganz intuitiv und kreiere dadurch etwas Neues. (lacht) Als Visual Jockey kann ich einfach mit dem was ich sowieso habe und mache nach außen gehen. Es entsteht eine Art visuelle Zauberwelt um die Musik herum, die es sonst nicht gäbe.
Zum Abschluss noch die Frage: Was verbindet dich mit Soest und wie digital ist die Stadt für dich?
Ich komme ursprünglich aus Wuppertal, bin aber 2000 der Liebe halber nach Soest gezogen. Wie weit die Digitalisierung in Soest ist, kann ich nicht sagen. Ich weiß, dass das bei vielen Unternehmen geklappt hat, aber das sollte eigentlich Standard sein heute. Und ich weiß, wie es beim Land ist…
Bezogen auf Soest möchte ich aus meiner Sicht sagen, dass ich nicht auf die Digitalisierung der Stadt angewiesen war. Der Vorteil der digitalen Welt ist ja, dass man sich viel weiter vernetzt, eben auch über Soest hinaus.
Aber Digitalisierung finde ich insgesamt ein schwieriges Thema, auch aufgrund erlebter Gefahren. Auf der einen Seite kann ich zu meinem Job sagen, dass ohne Digitalisierung nichts machbar wäre, weil es viel zu wenig Manpower gibt. Für mich war Digitalisierung mit Beginn meines Berufslebens ein Thema. Auf der anderen Seite sehe ich meine Kinder da reinwachsen – in eine nicht gefahrlose Situation, die aber keiner mehr begreift. Ich sehe, dass wir gar nicht mehr viel leisten können, wenn Digitalisierung nicht Teil unseres Lebens ist. Jedoch hat kaum jemand wirklich Ahnung und alle versuchen irgendwie klarzukommen. Ich sehe da Riesenvorteile und Riesennachteile, aber wir müssen uns damit arrangieren, wie mit vielem anderen auch im Leben. Aber ich habe das Gefühl, dass die Belastung, die das für den Einzelnen bedeutet, nicht unbedingt den Nutzen aufwiegt, der dahintersteckt. Dennoch möchte ich das nicht zu negativ sehen. (lacht)
Vielen Dank, Markus, für das interessante Interview!
Weitere Infos zum Künstler gibt es hier: www.markusfrede.de