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  • Foto von Mario Gorniok vor dem stadtLABOR Soest

    Bildquelle: stadtLABOR Soest

„In Soest haben wir schnelleres Internet als in Berlin.“ – Soester Gesichter

Erstellt am: 10.06.2024

Digitalisierung hat viele Gesichter – Soest auch. In unserer Reihe „Soester Gesichter“ sprechen wir mit Personen, die in Soest leben oder arbeiten und erfahren, was aktuelle Themen und der digitale Wandel mit ihrem (Berufs-)Leben machen.

Wir haben uns mit Mario Gorniok-Lindenstruth unterhalten, Gründer der Design-Agentur Keenly. Mario Gorniok ist 2022 mit seiner Familie aus Berlin nach Soest gezogen.

Hallo Mario, schön, dass du da bist. Kannst du uns zum Einstieg ein bisschen was von dir erzählen, wer bist du und was dich mit Soest verbindet?

Ich bin Mario Gorniok und letztes Jahr von Berlin nach Soest gezogen. Ich kenne Soest durch meine Frau Sophie, die hier aufgewachsen ist. Gerade in der Pandemie und den ganzen Lockdowns, reifte bei uns die Idee nach Soest zu kommen. Und so haben wir das Elternhaus übernommen, umgebaut und leben jetzt hier.

Nach vielen Jahren in großen Agenturen und als Freiberufler, habe ich 2015 eine Design-Agentur in Berlin gegründet. Wir haben anfangs vor allem Workshops für Leute angeboten, die vom statischen ins Bewegtbild wechseln wollten. Da gab es zu der Zeit nicht viele Anbieter am Markt. Aber mit der Zeit hat sich dann der Fokus stärker aufs Agenturgeschäft gelegt und wir bieten nun Produktfilme, Motion Branding und Digital Experience an. Wir machen z. B. Kampagnenfilme zu Produkten, meistens animiert in 2D und 3D. Motion Branding geht vor allem in Richtung Marke im Bewegtbild und Digital Experiences, das ist alles von einer Website bis zum Ausstellungsprojekt mit digitalen oder animierten Installationen.

Wie war der Wechsel von Berlin nach Soest?

Ja, das war schon ein Kultur…wechsel. Aber man muss sagen, als Familie ändert sich ja auch vieles. Wir haben drei Kinder und da geht man nicht mehr jeden Tag auf Konzerte. Jetzt ist es für uns z. B. wichtiger, dass sich die Kinder alleine bewegen können und mit dem Rad von A nach B kommen. In Berlin hätten wir die nicht alleine irgendwo hingeschickt.

Man hat hier in Soest oder auch im Umland extrem viel kulturelles Angebot, es ist eben nur nicht so komprimiert wie in Berlin. Aber die Vielfältigkeit ist gegeben. Die Strecken, z. B. ins Ruhrgebiet, nehmen auch nicht mehr Zeit in Anspruch als die innerhalb Berlins. Man ist z. B. genauso schnell in Dortmund auf einem Konzert, wie von Berlin-Neukölln nach Wedding.

Unseren Standort hier haben wir momentan relativ zentral in Soest, direkt am Markt im Hemmerhaus. Unser Team sitzt weiterhin in Berlin, dort leben wir eine starke Remotekultur, wir haben ein schönes Office dort, aber meine Kolleginnen und Kollegen arbeiten von überall aus – und ich als Geschäftsführer kann das ja auch gar nicht anders vorleben. Diese Idee des dezentralen Arbeitens und der inspirierenden Orte wollen wir auch nach Soest bringen und bauen dafür gerade eine interessante Fläche um.

Ich fahre eigentlich nur noch selten nach Berlin, wenn es mal einen Kundentermin gibt, sonst läuft alles online und dezentral. Und digital ist Soest ja zum Glück gut aufgestellt, wir haben hier schnelleres Internet als in unserem Office in Berlin.

Apropos, was verbindest du mit dem Begriff ‘digitaler Wandel’?

Also eine Sache, die mir extrem positiv auch an Soest aufgefallen ist, war die Kita-Karte. Wir mussten zwei Kinder in der Kita und eins in der Schule anmelden und das konnten wir alles online von zu Hause aus machen. In Berlin mussten wir dazu einen Wisch ausfüllen und ans Jugendamt schicken und sich richtig bei Kitas bewerben, um auf die Warteliste zu kommen. Hier in Soest konnten wir einfach drei Wünsche angeben und mussten uns nicht auf tausend Wartelisten eintragen oder mit Dokumenten hin- und herrennen. Mit Online-Terminen im Bürgerbüro genau das gleiche, da sind die in Berlin total überlaufen und man kriegt irgendwo einen Termin aber meist nicht in der Nähe. Hier in Soest ging das ganz schnell und ich bin in 5 Minuten mit dem Rad da.

Ansonsten ist „generative KI“ im Kontext des Kreativsektors natürlich ein großes Thema, wenn wir über Digitalen Wandel sprechen. Das ist eine Herausforderung, weil man inzwischen ja nicht nur Texte und Bilder, sondern auch Bewegtbilder generieren lassen kann. Eines unserer Kerngeschäfte. Es gibt da natürlich super hilfreiche Tools, aber der Wert unserer Arbeit wird immer weiter geschmälert. Aktuell ist der Output durch die Tools natürlich viel generischer, alles hat noch den gleichen Look und fühlt sich etwas seelenlos und gleichartig an. Trotzdem ist es wirklich abgefahren, besonders bei Film. Früher waren immer super viele Menschen für Animationsfilme etc. notwendig und jetzt geht einiges schon mit wenigen Klicks. Auch viel Nonsens-Arbeit wird einem abgenommen, wenn man z. B. an Textzusammenfassungen denkt, da kann man ChatGPT bitten, Kernaussagen zusammenzufassen oder Dinge zu recherchieren. Das Ganze hat natürlich Chancen und Risiken. Großes Thema ist die Urheberschaft und mit welchen Daten die KI trainiert wurde, um ein Bild genau in dem Stil zu reproduzieren, wie man es haben will. Oder der Energieverbrauch der notwendigen KI Serverfarmen, bringt den Planeten noch mehr an seine Grenzen. Ein Teil des Fortschritts bedeutet also auch, da müssen wieder andere Technologien her, um den Energieverbrauch zu kompensieren.

Das disruptiert auf jeden Fall unsere Prozesse als Agentur und sicherlich auch das, was man damit verdienen kann. Einerseits ist das auch in Ordnung so und ein ganz normaler Evolutionsschritt, aber persönlich löst das auch viele Fragen und Veränderungen aus. Das gibt es ja immer wieder. Vor ca. 130 Jahren wurde die Schallplatte entwickelt, Musik wurde konserviert und damit brauchte man nicht mehr so viele Musiker und Orchester. Die Leute konnten die Musik mitnehmen und zu Hause hören.

Was uns zu unserer nächsten Frage bringt: Was stellst du dir unter einer Smart City vor?

Dadurch, dass wir uns für unser Haus viel mit Smart-Home-Lösungen auseinandergesetzt haben, würde ich einfach mal sagen: Das ist etwas, was nicht sichtbar ist, aber sehr gut funktioniert. Ohne, dass ich aktiv etwas machen muss, kriege ich Infos, die mein Leben erleichtern, z. B. dass ich per Push-Nachricht daran erinnert werde, die Mülltonne rauszustellen. Das macht für mich auch eine Smart City aus: es ist eine Lebenserleichterung, ich muss mich nicht um Dinge kümmern, sondern werde aktiv darauf hingewiesen oder die Dinge werden im Hintergrund erledigt.

Eine smarte Stadt macht für mich aber auch aus, dass ein gesundes Zusammenleben möglich ist, also auch was für Familien und die Umwelt gemacht wird. Aus unternehmerischer Sicht ist eine schnelle Internetverbindung für unsere vielen Tools sehr wichtig, also auch die Infrastruktur dahinter. Wir haben Projekte in ganz Deutschland und anderen Teilen der Welt und das ist hier in Soest gar kein Problem. Wir haben zwar noch unseren Standort in Berlin, aber das ist so ein bisschen eine Prestigefrage. Viel wichtiger ist dort die Vernetzung im Kreativbereich, wir haben wenig Projekte in Berlin, aber viele Connections zu Kreativen, mit denen unser Kernteam immer mal wieder zusammenarbeitet. Somit haben wir keine Probleme unsere beiden Standorte zu verbinden.

Unsere letzte Frage: Was wünscht du dir für die Soester Zukunft?

Ich würde mir vor allem mit Blick auf meine Familie und meine Kinder wünschen, dass sie ruhiger aufwachsen und nicht mit so viel Verkehr, auch wenn das vielleicht utopisch ist. Hier gibt es z. B. noch viel mehr Potenzial fürs Fahrrad und weniger Verkehr in der Innenstadt.

Ansonsten, wenn ich Richtung Stadtmarketing, Veranstaltungen oder Weihnachtsmarkt schaue, das ist schon alles richtig gut, da würde ich sagen: einfach dranbleiben, das ist schon alles echt hochwertig und vielfältig. Da muss man in Berlin schon eher nach suchen oder z. B. viel Eintritt bezahlen.

Und ich finde auch super, was ihr hier seitens der Stadt und im stadtLABOR macht, z. B. mit den smarten Vogelhäusern oder anderen Veranstaltungen zur Digitalisierung. Gerade hier in dem Fachwerkhaus, das ja irgendwie trotzdem aufgeladen ist mit Modernität. Das könnte man noch in größerem Rahmen aufziehen, um Bürgerinnen und Bürgern Digitalisierung näher zu bringen.

Das Gespräch führten Leonie Bitting und Helge Ernst am 07.12.23.