Skip to main content
  • Porträtfoto von Bettina Kramer

    Foto: stadtLABOR Soest

„Zusammen sind wir lauter“ – Soester Gesichter

Erstellt am: 26.10.2023

Digitalisierung hat viele Gesichter – Soest auch. In unserer Reihe „Soester Gesichter“ sprechen wir mit Personen, die in Soest leben oder arbeiten und erfahren, was aktuelle Themen und der digitale Wandel mit ihrem (Berufs-)Leben machen.

Bettina Kramer ist seit 2021 Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt Soest. Sie ist 57 Jahre alt und Mutter von drei inzwischen erwachsenen Töchtern, die Fragen und Standpunkte rund um Gleichstellung mit nach Hause bringen. Ein richtiger Vollzeitjob also, denn Bettina macht ihren Job mit 35 Wochenstunden. Als langjährige Verwaltungsmitarbeiterin, die viele Abteilungen durchlaufen hat, bringt sie wertvolle Erfahrungen für ihren neuen Job mit.

Hallo Bettina, warum bist du Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt geworden?

Tatsächlich bin ich schon seit 1986 bei der Stadtverwaltung Soest. Ich habe dort bereits mein duales Studium gemacht und seitdem in unterschiedlichsten Abteilungen und immer auch an Projekten mit Querschnittsthemen gearbeitet. Somit konnte ich schon immer über den Tellerrand schauen und war mit dem Thema konfrontiert, dass man Menschen nicht abhängen darf, sondern sie mitnehmen muss.

2021 habe ich mich dann als Gleichstellungsbeauftragte beworben, weil ich das Thema total spannend finde. Auch die Herangehensweise ist komplett anders, ich bin nicht mehr in einem Team, sondern Einzelkämpferin. Die Aufgaben sind zwar im Landesgleichungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LGG NRW) normiert, aber sie sind vielseitig und ich kann meine eigenen Arbeitsschwerpunkte setzen. Das war im Vergleich zur Stelle als Sachbearbeitung auch erstmal ein kleiner Kulturschock.

Und welche Aufgaben hast du konkret als Gleichstellungsbeauftragte?

Allgemein gesagt ist meine Aufgabe die Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen innerhalb der Stadtverwaltung. Das heißt ich bin immer dann zuständig, wenn es um die Gleichstellung von Geschlechtern und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben geht. Ersteres betrifft hauptsächlich Frauen. Es arbeiten zwar 60 % Frauen und 40 % Männer bei der Stadtverwaltung, aber schauen wir genauer auf die einzelnen Fachbereiche oder die Führungsebene sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Ich unterstütze die Dienststelle (die Stadt Soest) dabei, den Frauenanteil zu erhöhen, etwa durch Beratung, Impulssetzung und Zuarbeiten. Ich bin zum Beispiel auch bei allen Vorstellungsgesprächen dabei bzw. werde schon im Vorfeld über die Bewerbungen informiert. Somit kann ich ggf. schon bei der Auswahl sicherstellen, dass bei gleicher Eignung und Qualifikation auch Frauen eingeladen werden, um überhaupt eine Chance zu erhalten. Hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, bin ich aber natürlich auch Ansprechpartnerin für Männer. Eine Teilaufgabe, die ich z. B. noch total spannend finde: Ich bekomme alle Bebauungsplanentwürfe, weil im LGG festgeschrieben ist, dass ich die Dienststelle berate, um zum Beispiel die Entstehung von Angsträume für Frauen bereits in der Planung der Stadt zu verhindern, z.B. durch mehr Beleuchtung für dunkle Wege.

Was bedeutet denn Gleichstellung für dich?

Ganz kurz: Gleiche Teilhabe und die Möglichkeit an Zugang. Ich würde das sogar nicht nur an Mann und Frau festmachen, sondern im Sinne von niederschwelligem Zugang sehen – auch für Menschen bspw. mit Handicap. In den letzten Jahren hat sich zwar schon einiges getan, aber es gibt noch viel zu tun. Auf Landesebene gibt es die sogenannte Landesarbeitsgemeinschaft aller Gleichstellungsbüros, die sich regelmäßig treffen und da wird diese Diskussion auch gerade geführt und man möchte das Thema Diversity Management in den Kommunen bei den Gleichstellungsbeauftragten verorten. Ich denke das Thema ist sehr wichtig und Arbeitgeber können nur von diversen Teams, also alt, jung, männlich, weiblich, gehandicapt, nicht gehandicapt usw., profitieren. Solche Teams sind ein Abbild der Gesellschaft.

Wie klappt es denn mit der Gleichberechtigung in Soest?

Ich denke wir müssen Frauen einfach mehr mitnehmen. Es muss z. B. in der Familie selbstverständlich sein, dass Aufgaben gleichberechtigt übernommen werden. In der Stadtverwaltung geht es nicht mehr nur darum, stelle ich eine Frau oder einen Mann ein. Es geht eher darum, an den Rahmenbedingungen zu schrauben, z.B. auch Führung in Teilzeit mitzudenken und zu ermöglichen. Das würde die Stadt auch als Arbeitgeberin attraktiver machen. Was dafür wiederum toll ist, dass ich gut mit unserem Bürgermeister zusammenarbeite und er mich im Rahmen der Möglichkeiten unterstützt. Zuletzt habe ich eine Broschüre zur geschlechtergerechten Sprache in der Verwaltung aufgesetzt. Die stellen wir in diversen Sitzungen vor, um die Führungskräfte zu sensibilisieren, die es wiederum ihren Mitarbeitenden weitergeben. Ich merke auch, dass ich mit der Zeit häufiger von einzelnen Mitarbeitenden angesprochen werden. Das freut mich immer, denn es zeigt, dass ich innerhalb des Rathauses in meiner Aufgabe wahrgenommen werde.

Siehst du eigentlich das Thema Digitalisierung als Chance oder Herausforderung für Gleichstellung?

Oh, sehr großes Thema, das mehrere Bereiche betrifft. Im Arbeitsbereich IT z. B. sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Hier müssten wir schon viel früher die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ansprechender für Frauen gestalten und diese Berufsfelder viel selbstverständlicher als Frauenberufe gesellschaftlich verordnen. Es geht um Sichtbarkeit: nur wenn Mädchen auch Mechatronikerin oder die Tischlerin sehen, können sie sich das für sich vorstellen. Außerdem gibt es neben dem Gender Pay Gap, auch den Digital Gender Gap. Dabei handelt es sich um den Unterschied im Verhältnis zwischen Männern und Frauen, die Zugang zu digitalen Technologien haben sowie die Möglichkeit sie zu nutzen oder entwickeln. Im Schnitt ist der Digitalisierungsgrad von Frauen geringer als bei Männern und das drückt sich auch in der Arbeitswelt aus. Bei digitalen Themen sollte auch immer schon die Gleichstellung mitgedacht werden.

Welche Projekte, Initiativen soll es künftig mehr geben?

Ich würde mich gerne viel mehr mit der Stadtgesellschaft vernetzen. Ich war z. B. bei der Frauenberatungsstelle Soest und habe mich und meine Aufgaben vorgestellt, habe aber auch deren wichtige Arbeit kennengelernt. Letztendlich kann das nur helfen, weil ich als Einzelkämpferin nicht alles alleine machen kann. Wenn mehrere zusammenarbeiten und wir alle ein bisschen lauter werden, hat das eine andere Wirkung. Dann möchte ich im nächsten Jahr gerne eine Frauenversammlung für die Mitarbeiterinnen der Stadt machen. Da können alle Frauen aus der Stadtverwaltung zusammenkommen und sich kennenlernen und ich kann erfahren, was treibt sie um und was kann ich für sie tun.

Das Gespräch haben Leonie Bitting und Elisabeth Söllner am 18. Oktober 2023 geführt.