„Wir haben uns gefragt: Was fehlt hier eigentlich noch?“ – Soester Gesichter
Erstellt am: 31.07.2025
Digitalisierung hat viele Gesichter – Soest auch. In unserer Reihe „Soester Gesichter“ sprechen wir mit Personen, die in Soest leben oder arbeiten und erfahren, was aktuelle Themen und der digitale Wandel mit ihrem (Berufs-)Leben machen. Wir haben uns mit Marcel Krufft unterhalten, der als Gründer und Medienprofi die Marketing- und Kreativagentur studiohub betreibt.
Hallo Marcel, schön, dass wir uns heute austauschen können. Magst du dich und studiohub kurz vorstellen?
Ja gerne. Mein Name ist Marcel Krufft, ich bin 32 Jahre alt, gebürtiger Soester und jetzt seit zehn Jahren in der Kreativbranche tätig. Bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, habe dann erst mal was Kaufmännisches gelernt in der Versicherungs- und Finanzbranche und habe aber seitdem ich 15 bin selber Musik gemacht. Das war so die erste kreative Passion. Dann habe ich mir von meinem ersten Lehrlingsgehalt damals die erste professionelle Spiegelreflexkamera gekauft und für mich selber mit der Foto- und Videoproduktion begonnen.
Und so ähnlich ist es auch bei Basti (Sebastian Gröne, Gründungspartner). Der hat das halt im Audiobereich gemacht. Wir haben uns ein Interface gekauft, er hat sich da reingefuchst und wir haben uns selber aufgenommen. Alles autodidaktisch, durch Learning by Doing, also viel YouTube-Tutorials. (lacht)
Unser studiohub gibt es jetzt seit zwei Jahren. Wir freuen uns über die gesunde Entwicklung unserer Agentur und die wachsende Nachfrage nach unserer Dienstleistung. Mittlerweile haben wir unser Team um zwei weitere Mitarbeiter erweitern können. Wir haben uns darauf spezialisiert, Audio-, Foto- und Videoproduktion unter ein Dach zu packen. Mein Kollege Basti und ich haben das zusammen gegründet. Wir beide sind geschäftsführenden Gesellschafter, aber auch einfach beste Kumpels.
Wir kennen uns jetzt seit 2014, wir haben damals zusammen angefangen, Musik zu machen und dann hat sich das irgendwie alles so entwickelt. Ich war mehr im Videobereich tätig, Basti im Audiobereich und dann haben wir 2014 unsere erste Firma Medienflug gegründet. 2016 haben sich unsere Wege noch mal ein bisschen getrennt, weil Basti nach Iserlohn gezogen ist und er da seine Musikschule aufgemacht hat und jetzt Reunion 2023 mit dem studiohub in Soest.
Was war für euch ausschlaggebend, eure Firma hier in Soest zu gründen?
Also das war eigentlich eine Idee beim Kaffee. Wir haben so ein bisschen herumgeblödelt und uns darüber unterhalten, ob es nicht cool wäre, wenn wir noch mal zusammen kreativ durchstarten. Wir haben uns dann gefragt ‘was fehlt hier vielleicht noch’ und uns dann ein Konzept überlegt: Und das war eine kreative Bude in Soest, die ein ganzheitliches Social Media-Konzept für Firmenkunden anbietet. Wir haben den Vorteil, dass wir dem Kunden alles aus einer Hand anbieten können. Wir sind auch noch relativ jung, mit Anfang 30 kann man das, glaube ich, noch sagen. Daher wissen wir auch, was gerade im digitalen Zeitalter so abgeht, gerade Richtung Social Media-Trends.
Man merkt auch, dass die Unternehmen hier so langsam aufwachen, aber es gibt auch einige hier, denen man ein bisschen unter die Arme greifen muss. Dazu haben wir ein ganzheitliches Konzept entwickelt, von der Content-Produktion bis hin zum Social Media Management. Das heißt, unsere Kunden können dann ihren ganzen Social Media-Kram an uns outsourcen. Wir haben aber auch das Tonstudio hier und es gibt einige Musiker – von Profi bis Hobbymusiker – die hier dann ihre Songs aufnehmen.
Nebenan haben wir auch einen Co-Working Space, den zwei Softwareentwickler nutzen, die auch mit in das kreative Geschehen eingestiegen sind. Und dann haben wir hinten noch unser kleines Foto- und Videostudio, was nicht so häufig genutzt wird, weil wir zu 99 % bei den Kunden vor Ort sind und da die Produktion machen.
Was für Herausforderungen hast du in deinem Arbeitsalltag?
Selbstständigkeit in Deutschland und Firmengründung ist schon mit sehr viel Kopfschmerz verbunden. Muss man einfach so sagen, weil es so viele Regeln und Bürokratie gibt. Mein Tipp an alle da draußen, die gründen wollen: Sucht euch einen guten Steuerberater, das ist wirklich das Fundament einer guten Firma.
Ansonsten geht es natürlich darum, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, wo du auch deine Familie mit ernähren kann. Es bringt ja nichts, wenn du dich hier kreativ verwirklichen kannst und du nur mit 200 € am Ende des Monats nach Hause gehst. Das funktioniert ja auch nicht. Und das war einfach auch die Herausforderung, wo wir vor ca. 10 Jahren gemerkt haben, nur für andere Hobbymusiker Videos für 200-300 € zu drehen oder so, das ist nicht der richtige Kundenstamm, das ist nicht die Zielgruppe. Dann haben wir 2016 umgeschwenkt auf Business-Kunden, die einfach auch einen richtigen Mehrwert von uns kriegen. Und dann ist es auch eine Herausforderung immer am Zahn der Zeit zu bleiben, das ist ein stetiger Prozess. Und natürlich ist es Fluch und Segen zugleich, dass man so viel Social Media konsumieren muss, um wirklich auch immer up-to-date zu bleiben. Ich würde mir manchmal wünschen, zwei, drei Monate nicht auf Instagram und Facebook unterwegs zu sein, da gehst du irgendwann kaputt in der Birne. Es ist auch erschreckend, wenn man sieht, wie viel Bildschirmzeit man hat, sei es jetzt auf dem MacBook oder auf dem iPhone oder so, schon crazy.
Was bedeutet es für dich, digital zu arbeiten und wie erlebst du den digitalen Wandel, auch mit Blick auf KI?
Ja, also es ist schon krass, wie sich die Prozesse verschlankt haben, wenn du die richtigen Tools nutzt. Wenn ich überlege, wie man früher wirklich händisch den Videoschnitt gemacht hat; wir haben zum Beispiel hier Videopodcast und da quatscht man schon mal 30-40 Minuten und zum Start haben wir halt wirklich immer per Hand die Videos geschnitten. Da saßt du locker eine Stunde am Schnitt, wenn du wirklich schnell und konzentriert gearbeitet hast. Und mittlerweile gibt es ein Tool dafür, da legst du die Spuren rein, drückst auf den Knopf und innerhalb von 20 Sekunden sind einfach mal 40 Minuten Video geschnitten und du musst nur noch ein bisschen nachjustieren, vielleicht 10, 15 Minuten.
Ich finde es wichtig, dass man mit vielen Software-Möglichkeiten arbeitet, aber auch mit der Hardware. Ich habe noch so eine ganz analoge Videokamera von früher, wo du wirklich noch mit Film arbeitest. Da kannst du nicht mal eben die Aufnahmen angucken oder wie das mit der Belichtung ist. Das ist ja auch total interessant; muss man sich mal vorstellen, wie die früher teilweise in Hollywood die Filme gedreht haben.
Aber auch KI ist einfach nicht wegzudenken, wer damit heutzutage nicht arbeitet, der hat das Game nicht verstanden. Qualität ist da immer eine Frage, aber ich sehe das als Chance. Du musst die KI ja auch richtig anfüttern. Wenn du der KI nicht die richtigen Prompts gibst, dann kommt auch Gülle bei raus. Du kannst und musst die KI ja trainieren. Jedes Unternehmen hat ein eigenes Wording und dann muss man gucken, dass es halt passt.
Wir kommunizieren das aber auch immer direkt unseren Kunden, dass wir mit KI arbeiten, das ist bei uns total transparent – aber die Ideen, die passieren trotzdem im Kopf. Und das merken die Kunden auch ganz schnell, wenn wir da vor Ort und in Meetings sind, da haben wir direkt auch schon zwei, drei Ideen und die werfen wir auch direkt in den Raum. So, dass das trotzdem auf jeden Fall outstanding ist. Aber wir können dadurch auch einfach wettbewerbsfähig bleiben.
Und das geben wir auch an den Kunden direkt weiter. Die Zeit, die wir einsparen, da können wir dann am Preis auch dementsprechend das Ganze so gestalten, dass das für beide Seiten cool ist.
Wie reagieren eure Kunden darauf, dass ihr mit KI arbeitet?
Es gibt halt Kunden, die haben sich mit dem Thema noch gar nicht auseinandergesetzt. Die wissen teilweise nicht mal, was das ist. Teilweise kriegst du dann aber auch Feedback, dass die im Unternehmen selber Prozesse haben, wo sie KI einsetzen.
Wenn ich ein Foto früher per Hand freigestellt habe, hat das zehn Minuten gedauert. Jetzt machst du das mit einem Tool, das in Photoshop integriert ist. Das gehört einfach dazu und dem Kunden ist das hinterher relativ egal, ob wir jetzt mit KI arbeiten. Das Endergebnis, das ist wichtig.
Wie ist das mit generativer KI?
Wenn ich jetzt mal das ins Verhältnis setzen würde, würde ich schon sagen, so 80 bis 85 % ist ohne KI und diese 20 bis 15 %, da holen wir uns halt im Nachgang wirklich Unterstützung durch irgendwelche Plugins.
Aber jetzt vor Ort, wenn wir beim Kunden sind, da musst du das richtige Motiv einfangen, du musst irgendwie die Geschichte erzählen können. Storytelling ist super wichtig und das kannst du halt nicht mit einer KI. ChatGPT kannst du als Sparringspartner nehmen und z. B. zehn Fragen für ein Interview erstellen lassen, aber das finde ich jetzt nicht schlimm. Und ich sage dir ganz ehrlich: der Interviewer ist der, der dann was daraus macht und nicht die KI.
Es ist wie früher, wenn man sich irgendwelche Wikipedia-Beiträge durchgelesen und hat das dann in seine Hausaufgaben oder sein Referat gepackt hat. Das ist der Grundstein von KI, würde ich sagen.
Das wird noch ganz krasse Ausmaße annehmen. Vor ein paar Wochen ist ja ein KI-generierter Song gestartet und das Ding ist voll durch die Decke gegangen. Wir hatten letztens noch jemanden hier, der hat auch einen Song komponieren lassen für sein Unternehmen. Das hat Basti übernommen, den Song komponiert und dann kam von dem Distributor die Rückmeldung, das könne so auf Spotify nicht veröffentlicht werden, das sei KI-generiert. Voll crazy, die haben mittlerweile schon so Schutzmechanismen und Basti musste dann ein Schriftstück anfertigen, dass er das wirklich selber komponiert hat und dann wurde es auch hochgeladen. Das witzige ist ja, dass der Auftraggeber das selbst eingesungen hat.
Wie erlebst du den digitalen Wandel, vor allem auch hier in Soest?
Ich sehe verschiedene Bereiche hier in Soest, was das angeht. Das ist branchenabhängig, wie das Digitale in den Vordergrund kommt. Man spricht ja auch viel von der Problematik, dass immer mehr der Einzelhandel hier zurückgeht, trotz verschiedener Förderprogramme, damit die Läden nicht leer stehen, weil der Onlinehandel so ein Big Player ist.
Ich würde gucken, dass man mit einem digitalen Newsletter arbeitet, es gibt mittlerweile so coole Sachen, wo du selbst einen Newsletter gestaltest. Ihr macht das ja auch im stadtLABOR, da kriegt man ja regelmäßig was zugeschickt. Es ist super wichtig, dass man auch auf verschiedenen Plattformen unterwegs ist, also nicht nur Facebook, Instagram, sondern vielleicht auch LinkedIn oder was es hier noch Lokales gibt.
Soest war ja vor ein paar Jahren digitale Modellkommune, das lief glaube ich für fünf Jahre ab 2018 und da gab es das Digitale Zentrum Mittelstand (DZM), das gibt es mittlerweile gar nicht mehr. Das war unter der Führung der Kreis Wirtschaftsförderung und hatte den Sitz in Lippstadt. Das waren zwei Jungs, der Victor Waal und der Dennis Wiosna und die haben richtig coole Events hier auf die Beine gestellt.
Wir waren da mal auf der Möhne auf dieser Fähre und da war dann auch so eine digitale Veranstaltung. Es gab außerdem diese Großveranstaltung im Schlachthof, SWX glaube ich hieß das, das war auch riesig. Wir sind nach Lissabon geflogen für drei, vier Tage und haben eine Exkursion gemacht zu Web Summit, das war auch richtig cool. Da hast du gemerkt: Die Jungs wollen das vorantreiben, diesen digitalen Spirit. Und das wurde halt auch richtig gut von den Unternehmen hier angenommen. Und ich glaube, die brauchen trotzdem noch Support, also was die vielleicht für die Digitalisierung tun können mit Blick auf die Infrastruktur im Unternehmen. Wie kann man Prozesse verschlanken, verbessern?
So auch während Corona, als die beiden Jungs sich selbstständig gemacht haben den QR-Check-In während der Corona-Pandemie entwickelt haben. Die haben da schnell umgedacht und diese digitale Lösung vorangebracht und da war der, der Anklang sehr, sehr groß bei den Unternehmen und die waren da sehr dankbar.
Das ist halt geil, dass es dann so Lösungen gibt, die jetzt nicht diese Papierberge hervorrufen, das gab es auch. Ich weiß noch, ich saß hier irgendwo in einer Eisdiele und dann musste ich aufschreiben, wie ich heiße und von wann bis wann ich da war – das ist ja kompletter Irrsinn gewesen damals.
Deswegen glaube ich, Soest ist noch ein bisschen hinterher im Vergleich mit Großstädten. Ich habe immer das Gefühl, das schwappt dann hier so langsam rüber. Aber das ist glaube ich auch einfach normal. Es ist einfach ein bisschen dörflich.
Ist das etwas, dass dich mit Soest verbindet?
Ja, das finde ich schön, dass es so ruhig ist. Ich habe ein Jahr lang in Hagen gewohnt, das ist komplettes Kontrastprogramm auch vom Stadtbild her. Meine Frau ist gebürtig aus Hagen und das erste, was die gesagt hat, ist, wie schön und gemütlich die Altstadt hier ist und wie sauber es ist. Selbst wenn hier große Veranstaltungen waren siehst du am nächsten Morgen schon die Mitarbeiter von den Kommunalbetrieben, die fahren hier durch, die machen alles wieder sauber und das ist krass, das hat die Stadt ja echt gut im Griff und das finde ich auch irgendwie cool.
Ich mag auch die Spots um den Theodor-Heuss-Park und auch die Wallsanierung. Da gibt es mittlerweile so coole Orte, sei es jetzt im Rosengarten z. B., wo du dich einfach mal zurückziehen kannst. Das finde ich schon charmant.
Was machst du zum Ausgleich der vielen Bildschirmzeit, die du beruflich hast?
Zeit mit meinen beiden Töchtern und meiner Frau auf jeden Fall. Und wenn ich es mal schaffe, gehe ich auch gerne zum Sport, einfach mal 30, 40 Minuten Power-Workout, da hab ich dann nur Musik auf den Ohren und bin mal nicht am Handy. Und als drittes mache ich immer noch gerne selber Musik und versuche mich dann so ein bisschen zu entspannen.
Es ist aber auch crazy. Man versucht immer sonntags am Familientag das Handy zur Seite zu legen – da gibts ja auch einen Fachbegriff für, ‘Smartphone-Detox’ oder so – und das ist schon ungewohnt.
Was ich mega erschreckend finde, ist, wenn du mal eine App, die du sehr häufig nutzt, auf deinem Startscreen woanders hin packst; dein Gehirn hat immer noch die Verknüpfung, dass es genau an diesem Platz ist. Da muss man sich wirklich Gedanken machen, weil das so eine krasse Routine ist. Ich würde mal behaupten, dass das Handy der Gebrauchsgegenstand Nummer 1 von 99 % der Generation ist, die mit dem Handy aufgewachsen ist.
Heutzutage ist das so, wenn du dich verabredest und holst jemanden ab, dann steigst du nicht aus dem Auto aus und klingelst, sondern schreibst eben kurz eine WhatsApp ‘Ich bin da, komm runter’. Es sind nur so Kleinigkeiten, die sich irgendwie gewandelt haben und ich bin wirklich froh, dass ich noch so aus dieser Zeit komme, wo man auch wirklich draußen war und wo du dann einfach auch zu den Eltern gesagt hast ‘Ich bin zum Abendessen zu Hause’. Das ist ja heutzutage auch nicht mehr so wie früher, aber man muss einfach mit der Zeit gehen.
Eine Frage zum Schluss: Was wünscht du dir für die Zukunft in Soest?
Also ich finde, die Stadtentwicklung in den letzten Jahren hat einen echt guten Job gemacht. Das fing schon an mit der Digitalen Modellkommune und auch mit dem stadtLABOR. Ich kann mich noch daran erinnern, ich habe mal einen Workshop auch bei euch gefilmt zum 3D-Druck – ich finde, ihr seid einfach auch eine coole Anlaufstelle, um den Leuten das Thema mal näher zu bringen.
Etwas, was aber jetzt auch nicht so ein Soest Ding ist, sondern wahrscheinlich auf Bundesebene geregelt werden muss: Wie bekommt man es hin, dass man junge Talente mehr fördert, gerade auch in Richtung Start-up und Gründungen, sodass man denen gar nicht so die krassen Steine in den Weg legt, sondern alles ein bisschen lockert, sodass die jungen Leute – denn sie sind die Zukunft von diesem Land und von der Welt, sie sind einfach unsere Zukunft – die müssen gefördert werden und die müssen getragen werden von dieser Gesellschaft, finde ich. Und es wäre einfach cool, wenn es da noch mal in Zukunft irgendwie ein paar coole Geschichten gibt. Sei es jetzt irgendwelche Workshops, Förderprogramme, irgendwelche Plattformen, die die halt nutzen können. Das fänd ich spannend und cool.