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Porträtfoto von Petra Schäfer und Chantal Schrebe vom Glücksbüro in Soest in kerzenbeschienen Ambiente.

Foto: Dimitri Dubinin

Glücklicher macht Digitalisierung nicht, aber… – „Soester Gesichter“

Erstellt am: 08.01.2021

Digitalisierung hat viele Gesichter – Soest auch. In unserer Reihe „Soester Gesichter“ sprechen wir mit Personen, die in Soest leben oder arbeiten und erfahren, was aktuelle Themen und der digitale Wandel mit ihrem (Berufs-)Leben machen.

Petra Schäfer und Chantal Schrebe haben im Dezember 2018 das Glücksbüro eröffnet. Seitdem planen sie gemeinsam Hochzeiten und Veranstaltungen. Im vergangenen Jahr haben die beiden außerdem den Glücksbringer Soest gegründet – einen Online-Marktplatz mit Lieferservice für den Kreis Soest und Umgebung.

Wir haben mit Chantal Schrebe und Petra Schäfer über die Herausforderungen der Pandemie für ihre Arbeit, die Zukunft des Einzelhandels in Soest und natürlich über Glück gesprochen.

Im letzten Jahr habt ihr den Glücksbringer gegründet, eine Ergänzung zum bereits bestehenden Glücksbüro. Wie ist die Idee zum Glücksbringer entstanden?

Petra: Wir hatten den Auftrag eine Candy Bar für eine große Veranstaltung aufzustellen, die dann aufgrund von Corona kurzfristig abgesagt wurde. Die ganzen Süßigkeiten hatten wir vorrätig und haben uns dann gefragt: Was machen wir jetzt damit? Daraus ist der Glücksbringer Soest, unser Onlineshop mit Lieferservice entstanden. Zuerst gab es dort nur unsere Produkte aus unserer Zuckerglück-Reihe, dann sind aber noch weitere Geschäfte dazu gekommen. Das hat sich dann irgendwie zu einem riesigen Hype entwickelt, vor allem rund um die ausgefallene Allerheiligenkirmes und den Weihnachtsmarkt. In diesem Jahr wollen wir neue Ideen für den Online Shop entwickeln, wie z. B. eine Kategorie, die sich auf Soest-Artikel spezialisiert.

Chantal: Uns ging es besonders darum, die lokalen Händler*innen zu unterstützen. Für uns machte es aus Kundensicht mehr Sinn alles auf einer Plattform zu sammeln, sodass man nicht viele unterschiedliche Webseiten besuchen muss. Ich bin mir aber sicher, dass der Online-Shop auch nach Corona Bestand haben wird.

War es für euch abzusehen, dass der Glücksbringer gut bei den Leuten ankommen wird?

Petra: Dass es ein so großer Erfolg wird, hätten wir zu Beginn nicht gedacht. Umso toller war es für uns, wenn wir zum Beispiel Süßigkeit ausgeliefert haben und das freudige Geschrei der Kinder schon vor der zu beliefernden Haustür zu hören war.

Chantal: Insbesondere in der Kirmeswoche sind viele Bestellungen eingegangen. Die Leute haben wie wild bestellt – vor allem Schokofrüchte. Wir haben vierhundert Erdbeerspieße verkauft. Über den Umsatz haben sich auch die Schausteller gefreut, mit denen wir zusammengearbeitet haben.

Petra: Auch der Adventskalender „Soester halten zusammen“ war für uns überraschend ein Selbstläufer. Mit dem Erlös aus dem Verkauf haben wir Essen an bedürftige Menschen ausgeliefert, da das Patenmahl ja aufgrund der Pandemie ausfallen musste. Zweieinhalbtausend Euro konnten wir an das Kinder- und Jugendhospiz spenden. Die Aktion #soesterhaltenzusammen wollen wir in Verbindung mit dem Adventskalender auf jeden Fall wiederholen.

Ihr seid mit dem Glücksbüro und dem Glücksbringer Expertinnen für Glück. Was ist denn Glück für euch? Was macht euch glücklich?

Petra: Ich finde, das kleine Glück ist tatsächlich das große Glück. Dass wir uns so gut verstehen und zusammenarbeiten dürfen und dass wir uns so gut ergänzen, das ist kleines großes Glück für uns. Genauso ist es der Erfolg, den wir im letzten Jahr mit dem Glücksbringer hatten und dass so viele Menschen uns sehr positives und dankbares Feedback gegeben haben. Das war für uns sehr schön. Wir sind Freunde vom kleinen Glück.

Kann man sich vornehmen glücklicher zu ein? So als Neujahrs-Vorsatz?

Petra: Achtsamkeit ist da so ein Stichwort – auch wenn das im Moment jeder macht. Achtsam zu sein und die kleinen glücklichen Momente wahrnehmen, die jeder Tag ja eigentlich für einen bereit hält, das kann man sich vornehmen.

Chantal: Ich hatte heute Morgen zum Beispiel total schlechte Laune, weil der Vormittag überhaupt nicht so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt habe. Auf dem Weg hierher habe ich dann extra Musik angemacht, die meine Laune hebt.

Petra: Wenn gar nichts mehr geht, nehmen wir Schokolade.

Chantal: Beruflich nehmen wir uns vor, die Hochzeiten so schön wie nur möglich zu gestalten. Auch wenn es jetzt, wegen Corona, nur ein schickes Abendessen nach Hause und eine Mini-Hochzeitstorte gibt.

Glaubt ihr, man sollte virtuell heiraten können?

Petra: Ich glaube nicht. Eine Hochzeit lebt von Emotionen und die kommen virtuell nicht genauso rüber. In Persona kann man die Stimmung viel besser wahrnehmen. Wenn ein Brautpaar zur Beratung kommt, geht es auch sehr viel darum, ob die Chemie passt. Die Planungsdauer für eine Hochzeit liegt zwischen 6 Monaten und einem Jahr. Da lernt man sich gut kennen, ist intensiv am Entscheidungsprozess beteiligt und ist Teil des Glücksmoments, den das Paar bei der Hochzeit erlebt.

Chantal: Eine solche Betreuung kann man online nicht leisten. Per Video kann man vielleicht über die Deko sprechen, Emotionen kommen aber virtuell nicht so rüber. Es gibt bestimmt Paare, für die das okay ist. Das sind aber wahrscheinlich Paare, die eher nicht mit uns heiraten. Wir machen nämlich nicht einmal die Beratungen per Video. Da fehlt das Gefühl. Eine lokale Online-Hochzeitsmesse hätten wir hingegen gerne gemacht – da waren jedoch nicht alle Beteiligten dafür.

Wie stellt ihr euch die Zukunft in Soest vor und wie wollt ihr zu dieser Zukunftsvision beitragen?

Chantal: Ich würde mir wünschen, dass der Online-Handel ausgebaut wird und man online einsehen kann, ob ein Produkt vorrätig ist und was es kostet. Das würde unglaublich viel Zeit sparen, z.B. bei Kinderschuhen. Die kaufe ich nicht gerne online aber ich möchte mit einem Kleinkind auch ungern fünf verschiedene Geschäfte besuchen. Wenn ich Instagram Stories mit Outfits aus lokalen Geschäften sehe, möchte ich gerne direkt wissen, was es kostet. Ich würde mehr lokal kaufen, wenn diese Dinge gegeben wären. Da hat Soest noch viel Potential.

Petra: Toll wäre auch, Dinge direkt bestellen zu können. Die Anfänge sind in Soest schon da, aber es noch nicht ausgereift. Aber wir wünschen uns für die Zukunft, dass viele Leute neue Ideen entwickeln und umsetzen – gerne auch gemeinsam. Es wäre schön, wenn sich mehr Leute etwas trauen würden.

Chantal: Ich verstehe, dass der jetzige Lockdown auch eine schwierige Situation für die Einzelhändler ist, aber warum sind zum Beispiel nicht alle Einzelhändler in unserem Shop? Unsere Mentalität ist, sich nicht zu ärgern, dass man nichts verkaufen kann, sondern sich zu fragen „Wie kann ich etwas verkaufen?“. Ein schönes Beispiel ist der Laden „Schatz im Glück“, da kann man zum Beispiel die Sachen aus dem Schaufenster via Instagram bestellen. Oder wie wäre es zum Beispiel mit einem digitalen Innenstadtplan. Da hat auch Google Maps noch Probleme – da sind andere Städte schon weiter.

Wenn wir uns Soest im Jahr 2050 vorstellen, was wäre euer Idealbild?

Petra: Hoffentlich nicht noch 50 Bäcker mehr – sondern spannende Einzelhändler.

Chantal: Wenn ich jetzt durch unsere Stadt gehe, sehe ich wirklich wenig Digitales. Mehr als das mittlerweile ganz gut funktionierende W-LAN gibt es nicht. Es wäre schön, wenn die Stadt Soest die Satzung dahingehend aktualisieren könnte, bewegliche Bilder in Schaufenstern zum Beispiel sind im Moment noch gar nicht erlaubt. Was ich gerne nutze, ist die moBILET-App zum Parken hier in Soest, aber ich habe festgestellt, dass der Petrikirchplatz zwar ausgewiesen ist, aber vom Ordnungsamt nicht kontrolliert werden kann. Das sind Kleinigkeiten, bei denen ich mir wünsche, dass es runder funktioniert – gerne aber schon vor 2050.

Eine letzte Frage haben wir noch: Macht Digitalisierung glücklicher? Oder vielleicht sogar unglücklicher?

Petra: Unglücklicher auf keinen Fall. Unabhängig von Hochzeiten kann Digitalisierung zu einem sorgenfreieren Leben führen – zum Beispiel ohne Bargeld oder mit weniger notwendigen persönlichen Terminen. Ob sie glücklicher macht, weiß ich nicht, aber sie kann auf jeden Fall bereichernd sein.

Chantal: Mich macht zufriedener, dass ich mehr Zeit für mein Privatleben habe. Aber da muss man auch aufpassen, häufig verbringt man ja mehr Zeit damit, als man denkt. Ich lege mein Handy manchmal bewusst auf die Seite – und trotzdem denkt man manchmal, man verpasst etwas. Die gesunde Balance zu halten, da ist jeder selbst verantwortlich. Das habe ich mir auch vorgenommen.

Petra: Häufig vermischt man das Private mit dem Geschäftlichen, da ist man bei geschäftlichen Anfragen auf Instagram und auf einmal schaut man sich die schönen Teller an, die einem angezeigt werden. Da ist auch für mich die Balance wichtig, damit es eine Bereicherung bleibt und keine Ablenkung wird.

Zum Glücksbüro geht es hier: www.glücksbüro.com/, der Glücksbringer ist unter diesem Link erreichbar: www.gluecksbringer-soest.de/

Äußerungen unserer Gesprächspartner*innen geben deren eigene Auffassungen wieder. Das stadtLABOR macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner*innen in Interviews und Diskussionen nicht zu Eigen.

Mit Chantal Schrebe und Petra Schäfer sprachen Juliane Henning und Kerstin Großbröhmer (Projektbüro Digitale Modellregion).