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  • Foto von Fee Wenner, Bestatterin in Soest.

    Bildquelle: stadtLABOR Soest

„Der Spagat zwischen Tradition und Modernität ist für mich das Wichtigste“ – Soester Gesichter

Erstellt am: 19.03.2024

Digitalisierung hat viele Gesichter – Soest auch. In unserer Reihe „Soester Gesichter“ sprechen wir mit Personen, die in Soest leben oder arbeiten und erfahren, was aktuelle Themen und der digitale Wandel mit ihrem (Berufs-)Leben machen. Diesmal haben wir mit der Bestatterin Fee Wenner gesprochen, die in einem Familienbetrieb in der 4. Generation arbeitet.

Hallo Fee, schön, dass ein Austausch klappt. Könntest du uns zum Einstieg mehr über dich und deine Arbeit erzählen?

Ich bin Fee Wenner und ich bin in Bad Sassendorf groß geworden. Bestattungen Wenner ist ein Familienunternehmen mit Sitz in Soest und Bad Sassendorf; meine Mama hat es von meiner Oma und meinem Opa übernommen. Wir sind drei Schwestern, also drei Mädels, die das Unternehmen  weiterführen werden. Wir kommen alle ursprünglich aus ganz unterschiedlichen Branchen und haben uns jetzt hier wieder zusammengefunden, um die Tradition weiter aufrechtzuerhalten. Dabei besteht die Möglichkeit eben diese Tradition zu bewahren und gleichzeitig das Moderne miteinzubringen. Also beidem eben treu zu sein und diesen Spagat zu schaffen.

Ich habe die Räumlichkeiten gerade schon bei einer kleinen Führung kennenlernen dürfen. Was sind denn genau die Aufgaben einer Bestatterin?

Unsere Haupttätigkeiten kann man gar nicht so klar benennen, weil jeder Tag ganz anders aussieht. Man kann keinen Tag wirklich planen, das ist das Schöne an diesem Beruf; die Abwechslung und Flexibilität. Wir führen vor allem Trauergespräche mit den Angehörigen, holen die Verstorbenen ab und richten Trauerfeiern auf dem Friedhof aus. Auch nach der Beisetzung begleiten wir die Familien: wir kümmern uns z. B. um die verschiedenen  Abmeldungen, wie Rente, Krankenkasse, Versicherungen …

Es gibt also einmal das Organisatorische und Administrative, aber eben auch körperliche Tätigkeiten. Wir fassen richtig mit an, fahren raus und machen die Überführungen. Es gibt eine ständige Bereitschaft, da man den Tagesablauf nicht planen kann, also ob man einen Sterbefall oder mehrere dazu bekommt, oder vielleicht auch manchmal wenig zu tun hat.

Deine Arbeit scheint auf jeden Fall sehr vielfältig zu sein, dabei interessiert uns auch der digitale Wandel. Unterstützen euch digitale Tools, also bestimmte Geräte oder digitale Dienstleistungen, in den verschiedenen Bereichen?

Als wir hier angefangen haben, wurde alles auf dem Papier bearbeitet und veranschaulicht. Wir arbeiten allerdings schon seit 25 Jahren mit einer Bestattersoftware, die uns den Arbeitsalltag auf jeden Fall erleichtert. Wir können dort alle Daten eintragen. Auf die haben wir dann, mit dem Kalender, jederzeit und von überall Zugriff. Wenn Kunden anrufen, können wir die sofort über diese Software zuordnen und den Fall öffnen, um Auskunft darüber zu bekommen. Das erspart vor allem Zeit und ist deutlich übersichtlicher als alles in Papierform zu bearbeiten. Es ist uns fortwährend ein hohes Anliegen, das Unternehmen modern und traditionell zu gestalten

Wir haben auch unser Sortiment digitalisiert. Das hilft Kunden bei der Auswahl. Außerdem sind wir auch bei Instagram. Wir wollen  Transparenz schaffen und den Kundinnen und Kunden die Angst etwas nehmen. Denn wer geht schon gerne zum Bestatter? Das ist für viele eine große Herausforderung. Keiner weiß, was einen da wirklich erwartet. Je offener wir damit umgehen und den Menschen zeigen, dass unsere Tür immer offen steht, desto leichter wird eben auch dieser Gang für die Betroffenen.

Stellt die Digitalisierung euch auch vor Herausforderungen?

Nein, wir versuchen, nur die positiven Aspekte mitzunehmen. Wie in allen Bereichen, gibt es auch Bestatter-Influencer, die wirklich sehr private Dinge zeigen. Da kann man sich drüber streiten, ob das jetzt pietätvoll ist oder nicht. So darf das natürlich bei uns nicht sein. Wir wollen über alles kommunizieren, aber wir zeigen keine Verstorbenen, wenn sie hygienisch versorgt oder angekleidet werden oder so. Alles muss würdevoll bleiben.

Persönlich interessiert mich, wie schafft ihr es, euch die Trauer nicht zu sehr anzunehmen?

Für mich ist jeder Sterbefall gleich bedeutend. Es sind alles Menschen. Sobald der Fall dann aber abgeschlossen ist, ist das für mich dann auch wirklich abgeschlossen. Wir unterstützen uns da auch immer im Team, fangen uns gegenseitig auf und gehen offen in die Kommunikation. So sehr uns die Geschichten auch mitnehmen, es ist nun mal unser Alltagsgeschäft und es gelingt uns eigentlich, das auch als solches zu betrachten. Wir gehen auf die Bedürfnisse ein und versuchen uns trotzdem abzugrenzen.

Du hast privat als auch als Unternehmerin einen großen Bezug zu Soest. Wie sieht für dich eine lebenswerte Stadt aus?

Ich habe selber in der Ulricherstraße in Soest, also innerhalb des Walls, gewohnt und bin total traurig da weggezogen zu sein. Ich vermisse die Stadt wirklich, weil Soest irgendwie alles mit sich bringt, was eine Stadt lebenswert macht. Für mich sind das vor allem die kleinen, privat geführten Läden. Zum Beispiel das Röstaroma, die alte Bücherei, es sind so viele. Das macht mich ein bisschen wehmütig.

Soest ist jung, modern und trotzdem ist in der Altstadt das Traditionelle erhalten geblieben. Auch da scheint dieser Spagat zwischen Tradition und Modernität gut zu funktionieren.

Da kommen wir auch schon zur letzten Frage. Was wünscht du dir für die Soester Zukunft?

Dass weiterhin die kleinen Unternehmen ihren Platz in Soest finden. Das macht das Stadtbild so attraktiv. Dass die Stadt auch weiterhin fortschrittlich gestaltet wird und an Klimadebatten teilnimmt. Dass die Stadt eine Vorreiterin ist.

Das Interview hat unsere Praktikantin Meret Leifert am 19.03.2024 geführt.